Ein Gespräch über Clematis mit Brigitte Niemela, besser bekannt als Clematisworld

Clematis Yuan niedrig bleibende Sorte auch fürs Staudenbeet geeignet

Clematis haben für mich ehrlich gesagt, bisher gar keine so große Rolle gespielt. Ich hatte ein paar „übliche Verdächtige“ auf dem Schirm und haben sie hin und wieder verwendet.

Als ich aber vor einigen Woche bei Brigitte Niemela von Clematisworld zu Besuch war, stellte ich fest: Clematis? Das ist ja eine ganz neue Welt! Brigitte hat in ihrem wunderschönen Garten eine riesige Zahl an  Clematis mit ganz unterschiedlichen Blüten- und Wuchsformen. Von ganz zarten, nickenden Blüten bis großen, weithin sichtbaren Blüten ist alles dabei.  Ich werde in meinem Garten definitiv die ein odere andere Clematis noch ausprobieren, Brigitte kann einen auf jeden Fall begeistern!

Und da sie eine absolute Expertin auf dem Gebiet ist, habe ich ihr natürlich gleich ein paar Fragen gestellt. Vielleicht können wir ja auch dich etwas mit dem „Clematis-Fieber“ anstecken?

Foto: Brigitte Niemela, Clematis Purpurea Plena Elegans, Rose Frau Eva Schubert

Lilli

Wie bist du dazu gekommen, dich auf Clematis zu „spezialisieren“. Das ist ja schon ein wenig ungewöhnlich.

Brigitte

Seit Beginn meiner Gartenleidenschaft haben mich Clematis fasziniert. Ich liebe ihre wild-romantische Ausstrahlung. Dabei ist diese Pflanzengattung außerordentlich vielseitig. Die unterschiedlichen Blütezeiten, Wuchsformen, Blatt- und Blütenformen bieten ein unglaubliches Spektrum. Je mehr ich in dieses Thema eintauchte, desto stärker wuchs meine Sammelleidenschaft und das Bedürfnis, mehr über diese großartigen Pflanzen zu erfahren.

Lilli

Es gibt ja diese drei berühmten Schnittgruppen, kannst du uns etwas dazu sagen? Wie unterscheiden wir die voneinander?

Brigitte

Die unterschiedlichen Schnittgruppen bei den Clematis korrespondieren mit den unterschiedlichen Blütezeiten. Es gibt blühende Clematis von März bis weit in den Herbst hinein. Wer in wintermilden Gebieten wohnt, kann sogar winterblühende Clematis pflanzen. Die einfachste Regel heißt: Je früher die Clematis blüht, desto weniger wird geschnitten.

Die Schnittgruppe 1 umfasst Clematis, die als erstes im Jahresverlauf blühen. Dazu zählen die winterblühenden Sorten und Sorten, die bis Mitte Mai blühen. Die frühe Blüte ist möglich, weil sich die Blüten an sehr kurzen Seitentrieben der Vorjahrestriebe entwickeln.  Diese Clematis sollten nicht geschnitten werden. Falls nötig, dann am besten nach der Blüte.

Clematis Vince Denny aus der Tangutica-Gruppe

Foto: Brigitte Niemela, Clematis Vince Denny aus der Tangutica-Gruppe

Zur Schnittgruppe 2 gehören Sorten, die zweimal im Jahr blühen. Die Hauptblüte ist im Mai/Juni an Seitentrieben der Vorjahrestriebe und im August oder September gibt es eine schwächere Blüte an den frischen Trieben. Man sollte so schneiden, dass eine gute Balance aus alten und neuen Trieben erreicht wird. Dazu nimmt man diese Sorten im Spätwinter um etwa ein Drittel zurück. Nach der üppigen Blüte im Mai/Juni entfernt man die Samenstände. Dadurch steckt die Pflanze ihre Energie in die Bildung von frischen Trieben, die dann im August/September neue Blüten hervorbringen. Wichtig ist in diesem Fall, dass man über die trockenen Sommermonate kräftig gießt. Ansonsten gehen diese Clematis in einen „Ruhemodus“ und bringen keine neuen Triebe hervor.

Clematis Venosa Violacea und Carol Klein

Foto: Brigitte Niemela, Clematis Venosa Violacea und Carol Klein

Clematis aus der Schnittgruppe 3 blühen ab Mitte Juni an den Trieben, die sie im gleichen Jahr gebildet haben. Jedes Jahr kann und soll man sie sehr stark zurückschneiden. Das kann man irgendwann zwischen Spätherbst und Spätwinter erledigen. Ich persönlich entferne meist im November den Großteil der Blattmasse. Im Februar schneide ich dann den Rest. Diese Schnittmaßnahme ist unkompliziert, schnell erledigt und man braucht nicht viel hin und her überlegen. Dem oft gehörten Statement „Ich will eine unkomplizierte Clematis, die ich nicht schneiden muss“ kann ich nicht zustimmen. Die unkompliziertesten Clematis sind die, die wir jedes Jahr ratzfatz herunterschneiden können.

Gerade weil sich diese Regeln kompliziert anhören, sollte man immer Folgendes im Hinterkopf haben: Eine Clematis geht nicht ein, weil sie zu stark geschnitten wurde. Bei einem vermeintlich „falschen“ Schnitt müssen wir in dem Jahr auf ein paar Blüten verzichten. Aber Clematis treiben im Normalfall wieder willig aus und belohnen uns mit einem noch üppigeren Wachstum. Vorsicht ist nur geboten bei älteren, vergreisten Exemplaren, die nie geschnitten wurden. Bei ihnen besteht Gefahr, dass sie sehr verschnupft auf einen Radikalschnitt reagieren.

Clematis Blue River, Rose Artemis und Harlow Carr, Lilium AS Salmon Flavour_ Strauchrosen und Staudenclematis

Foto: Brigitte Niemela, Clematis Blue River, Rose Artemis und Harlow Carr, Lilium AS Salmon Flavour – Strauchrosen und Staudenclematis

Lilli

Clematiswelke, Mehltau, es gibt ja ein paar Krankheiten bei Clematis. Kannst du uns ein paar Arten nennen, die weniger anfällig sind?

Brigitte

Die gefürchtete Clematiswelke tritt hauptsächlich bei den sogenannten großblumigen Hybriden auf. Das sind die Clematis, die der Schnittgruppe 2 zugeordnet werden und besonders große, auffällige Blüten haben. Will man das Problem umgehen, wählt man einfach Clematis aus Schnittgruppe 1 oder 3. Dort findet man auch genügend attraktive Sorten.

Meine Empfehlung für besonders robuste und wenig krankheitsanfällige Clematis sind zum einen die verschiedenen Sorten von Clematis viticella und zum anderen die Staudenclematis. Clematiswelke taucht hier praktisch nicht auf. Mehltau kann es besonders in sehr trockenen Jahren schon geben. Meist aber erst relativ spät im Jahr, so dass die Blüte oft nicht betroffen ist. Da man diese Pflanzen im Herbst sowieso zurückschneidet, ist im Folgejahr nichts mehr davon zu sehen. Außerdem blühen sie alle am einjährigen Holz. Das bedeutet, dass wir befallene Pflanzen im Sommer nochmals zurückschneiden können. Der neue Austrieb ist gesund und die Blütezeit wird einfach um ein paar Wochen nach hinten verlegt.

Clematis viticella an einer Wand, Phlox Blue Paradise, Echinops Veitch's Retro

Foto: Brigitte Niemela, Clematis viticella an einer Wand, Phlox Blue Paradise, Echinops Veitch’s Retro

Lilli

Und was kann man tun, um diesen Krankheiten vorzubeugen bzw. zu behandeln?

Brigitte

Wie oben schon erwähnt, findet die wichtigste Präventionsmaßnahme gegen die Clematiswelke schon vor dem Kauf statt – nämlich bei der Sortenwahl. Wer trotzdem auf die eindrucksvollen Blüten der großblumigen Hybriden nicht verzichten will, sollte bei der Pflanzung darauf achten, dass ein Augenpaar unter der Erde liegt. Diese Clematis werden also tiefer gepflanzt, als sie im Topf standen. Bei den ersten Anzeichen von Welkebefall schneidet man die Clematis bodennah zurück und sie wird dann aus den unterirdischen Augen wieder gesund austreiben.

Clematis Jeanne's Pink großblütige Hybride Schnittgruppe 2

Foto: Brigitte Niemela, Clematis Jeanne’s Pink, großblütige Hybride Schnittgruppe 2

Gegen Mehltau hilft vor allem ein luftiger Standort. Gerade bei einer Wandbegrünung sind Abstandhalter beim Rankgitter sehr wichtig. Sie sorgen dafür, dass zwischen der Wand und der Kletterpflanze Luft zirkulieren kann. Anfällig für diese Krankheiten sind vor allem Sorten aus der Texensis- und Viorna-Gruppe. Wenn der Befall sehr stark ist, kann man diese auch im Sommer zurückschneiden und auf den gesünderen Neuaustrieb warten. Natürlich wirken bei Clematis auch Vorbeugemaßnahmen, die man auch sonst im Garten anwendet (Pflanzenstärkungsmittel, Spritzen mit Pflanzenbrühen oder einer Milch-Wasser-Mischung etc.).

Lilli

Gibt es Arten, die auch mit Trockenheit einigermaßen zurechtkommen?

Brigitte

Clematisarten sind in vielen Regionen der nördlichen Hemisphäre beheimatet. Das Klischee, dass alle Clematis typische Kletterpflanzen des Waldrandes sind, trifft nicht zu. Deshalb finde ich auch den typischen Spruch „Eine Clematis will einen schattigen Fuß und den Kopf in der Sonne“ überbewertet. Es gibt viele Clematis, die einen vollsonnigen Standort vertragen und sogar brauchen, um üppig zu blühen. Dazu zählen beispielsweise Clematis viticella, Clematis texensis und Clematis tangutica. Vollsonnig heißt aber nicht gleich automatisch trockenheitsverträglich. Aber ich würde behaupten, dass die meisten Sorten aus diesen Gruppen Trockenheit relativ gut wegstecken, wenn sie erst einmal gut eingewachsen sind. Wer einmal eine ältere Clematis ausgraben wollte, wird wissen, dass sie über die Jahre einen enormen Wurzelstock entwickeln und dadurch auch in tieferen Schichten nach Wasser suchen können. Ähnlich wie bei Rosen würde ich frischgepflanzte Exemplare die ersten drei Jahre bei sommerlicher Hitze immer wieder durchdringend gießen. Häufiges, oberflächliches Gießen bringt nichts, weil die Wurzeln nicht angeregt werden, in die Tiefe zu wachsen.

Insbesondere Clematis integrifolia halten als typische Steppenbewohner die sommerliche Trockenheit sehr gut aus.

Foto: Brigitte Niemela, Clematis integrifolia Pastel Blue

Lilli

Mit was kombinierst du die Clematis am liebsten?

Brigitte

Eine meiner Lieblingskombinationen sind Rosen und Clematis. Sie passen von den Standortbedingungen sehr gut zusammen und ergänzen sich farblich fantastisch. Für jede Rose findet man bei den Clematis die passenden Begleiter: Starkwüchsige Hybriden oder Viticellas zu den Kletterrosen, Staudenclematis zu den Strauchrosen, kleinbleibende Sorten oder niedrige Staudenclematis zu den Beetrosen. Clematis, die gleichzeitig mit den Rosen blühen oder Clematis, die durch versetzte Blühzeiten die Pausen bei den Rosen überbrücken. Ein schier unerschöpfliches Thema, bei dem der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind.

Aber ich liebe auch die unkonventionelle Verwendung von Clematis. Gerade die kleinblütigen Clematis wirken viel natürlicher und romantischer, wenn sie nicht an ein Rankgitter gezwängt werden, sondern frei durch Stauden, Sträucher oder Bäume wachsen dürfen. Für meinen Geschmack werden diese Möglichkeiten noch viel zu selten genutzt.

Manche Clematis entwickeln auch schöne Samenstände, die einen interessanten Aspekt in herbstliche Gärten bringen können.

Foto: Brigitte Niemela, Clematis Ai-Nor und Rose Laguna – Kombination Kletterrose mit gleichzeitig blühender Clematis

Lilli

Kannst du uns vielleicht zwei, drei Arten nennen, die sich für „Clematisneulinge“ eignen?

Brigitte

Für „Clematisneulinge“ empfehle ich Clematis viticella und Staudenclematis. Sie sind einfach in der Handhabung, sehr robust und winterfest darüber hinaus kaum krankheitsanfällig. Ein wichtiger Tipp ist auch, dass man den Clematis unbedingt etwas Zeit geben muss. Es dauert mindestens drei Jahre, bis sich eine Clematis etabliert und zu voller Schönheit entwickelt. Viele kleinblütige Sorten haben im Gartencenter keine Chance, weil sie im Container unscheinbar wirken. Ihr wahres Potential zeigen sich erst nach mehreren Jahren im Garten.

Lilli

Und hast du noch einen Tipp für eine eher schwachwüchsige Sorte, die ich vielleicht auch im Kübel pflanzen kann?

Brigitte

Robustheit, kompakter Wuchs und eine lange Blütezeit machen die Sorte ‚Arabella‘ zu einer idealen Wahl für den Kübel. Als Staudenclematis muss sie allerdings aufgebunden werden, wenn sie in die Höhe wachsen soll. Andernfalls fallen die Triebe über den Rand des Kübels, was natürlich auch schön aussieht und bewusst eingesetzt werden kann. ‚Arabella‘ kann nach dem ersten Blütenflor stark zurückgeschnitten werden und bringt den ganzen Sommer über neue Blüten hervor. Ich würde trotzdem immer einen großen Topf wählen und andere Pflanzen z.B. Einjährige dazu pflanzen.

Eine ganze Linie, die speziell für den Einsatz als Kübelpflanzen gezüchtet wurde, ist die Boulevard-Serie von Raymond Evison. Diese Sorten kennzeichnet, dass sie von oben bis unten mit Blüten besetzt sind und nach einem Rückschnitt schnell wieder durchtreiben.

Clematis Vicki Evison Boulevard-Serie für Kübel

Foto: Brigitte Niemela, Clematis Vicki Evison Boulevard-Serie für Kübel

Lilli

Vielen Dank Brigitte für deine Tipps und deine Zeit!

Portrait Brigitte NiemelaBrigitte Niemela ist Mitglied der International Clematis Society und veröffentlicht im International Journal und auf der Verbands-Webseite regelmäßig Beiträge zu Clematisthemen. Der Wunsch, die Schönheit der Gärten und Pflanzen in Bildern festzuhalten, führte sie auch zur Fotografie. Ihre Bilder werden in Kalendern und Gartenmagazinen veröffentlicht. In Vorträgen und auf ihrer Webseite https://clematisworld.de/ gibt sie ihre Erfahrungen an interessierte Gärtner weiter.
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